Stallkonzepte für die Kälberhaltung
Seit nun fast anderthalb Jahren verbleiben die sogenannten „Montagskälber“ durch die Vorgaben der neuen Tierschutztransportverordnung mindestens 28 Tage auf dem Betrieb.
Wie eine optimale Kälberhaltung in einem funktionierenden Stall aussehen sollte, welche baurechtlichen Aspekte es zu berücksichtigen gilt und was die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vorgibt, erklärt Frau Sonja Müller, Dipl.-Ing. (FH) Architektur von der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz – Referat Bau, Technik, Energie aus Bekond – ihr Fazit: Je gesünder die Kälber sind, umso wahrscheinlicher ist es, eine leistungsfähige und vitalere Milchkuh zu erhalten bzw. gesunde Kälber verkaufen zu können.
In den meisten Fällen finden die Kälber in Iglus ihren Platz auf dem Hof an Stellen, die keine weitere Nutzung haben, oder in der alten Maschinenhalle wird eine Ecke frei geräumt, mit Stroh eingestreut, ringsum Gitter aufgestellt, an denen dann ein Trog befestigt wird. So wurde in den letzten Jahren oft eine schnelle Lösung gefunden, wenn die Zahl der Milchkühe im bestehenden Stall zunahmen und mehr Kälber als Stallplätze zur Verfügung standen. Es wurde sich über Kälberhaltung wenig Gedanken gemacht, die Kälber waren „einfach da“, bereiten Kosten aber keinen Erlös.
Doch hier hat mittlerweile ein Umdenken eingesetzt. Viele Betriebe, die in ihre Milchkuhställe investiert haben, denken nun an Optimierung der Kälberhaltung. Insbesondere hat der längere Verbleib in den ersten vier Lebenswochen dazu geführt, dass Betriebe handeln mussten, um ihre höhere Kälberzahl entsprechend unterzubringen.
Grundsätzlich ist es in Rheinland-Pfalz so, dass bauliche Anlagen nach der Landesbauordnung (LBauO RLP) genehmigungspflichtig sind. Dies gilt auch für die Kälberhaltung. Es gibt nach dem § 62 LBauO aber auch Ausnahmen, welche jedoch im Einzelfall geprüft werden müssen. Diese müssen mit der zuständigen Kreisverwaltung abgestimmt werden. Auch wenn es sich um baugenehmigungsfreie Vorhaben handelt, kann trotz alledem eine Anzeigepflicht entstehen, evtl. bei der unteren Naturschutzbehörde oder aber der unteren Wasserwirtschaft bei der Kreisverwaltung. Auch ist das Halten von Kälbern in Gebäuden, die ursprünglich nicht zur Tierhaltung genehmigt waren, nicht rechtskonform. Hier muss eine Nutzungsänderung der Gebäude beantragt werden (Foto 1).
Foto 1: Für die Haltung von Kälbern in Gebäuden, die ursprünglich nicht zur Tierhaltung genehmigt waren, muss eine Nutzungsänderung beantragt werden.
Nicht selten kommt es vor, dass nachbarschaftsrechtliche Streitigkeiten dazu führen, dass der Landwirt sich bei der Kreisverwaltung zu unterschiedlichsten Themen rechtfertigen muss. Hier wird es dann problematisch, wenn Tiere (Kälber) in Gebäuden gehalten werden, welche nicht baurechtlich zu diesem Zweck genehmigt wurden.
Oft spielen auch die Geruchsemmissionen eine Rolle. Innerhalb der Ortslage ist nur eine begrenzte Haltung von Tieren gestattet, wenn diese aktuell neu baurechtlich beantragt werden. Auch hier ist jeder Fall im Einzelnen zu betrachten, da unterschiedliche Faktoren Einfluss nehmen. Bestandsbetriebe in der Ortslage oder Ortsrandlage, die sich im Rahmen ihrer Genehmigung bewegen, haben hier nichts zu befürchten.
TierSchutzNutztierHaltungsverordnung (TierSchNutztV)
Die Kälber sind die einzige Tiergruppe in der Rinderhaltung, bei der der Gesetzgeber eine konkrete Angabe bezüglich der Stallgrößen vorgibt.
Die Tierschutznutztierhaltungsverordnung beschreibt im Abschnitt 2 ab § 5 bis einschließlich § 11 was es bei Kälbern zu berücksichtigen gibt. Auch genaue Anforderungen an Platzgrößen in den verschiedenen Altersklassen bis hin zur Angabe von Fütterung und Pflege werden vorgegeben.
Es ist definiert, dass Spaltenweiten im Bereich von Kälberhaltung 2,5 cm nicht überschreiten dürfen, bei Balken mit elastischen Auflagen darf diese max. 3 cm betragen. Die Auftrittsbreite des Balkens muss min. 8 cm vorweisen. Auch eine Lichtstärke von min. 80 Lux ist vorgegeben. Es werden Angaben getroffen, welche Temperaturen in einem Kälberstall vorherrschen dürfen und welche zu hoch sind.
Grundsätzlich ist es möglich, Kälber bis zu ihrer 8. Lebenswoche in Einzelhaltung unterzubringen. Kälber im Alter von über acht Wochen dürfen nur noch in Gruppen gehalten werden.
Tabelle 1: Platzbedarf bei Einzelhaltung
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Einzelhaltung 0 - 2 Wochen |
Einzelhaltung 2 - 8 Wochen |
Boxenbreite |
80 cm |
100 cm Bei geschlossener Seitenbegrenzung |
Boxenlänge |
120 cm |
160 cm Trog außen 180 cm Trog innen |
Boxenhöhe |
80 cm |
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Sicht- und Berührungskontakt |
vorgeschrieben |
vorgeschrieben |
Beim Halten von Kälbern bis zum Alter von zwei Wochen in Einzelboxen, muss diese ein Mindestinnenmaß von 120 cm Länge und 80 cm Breite vorweisen. Kälber über zwei Wochen und bis zu acht Wochen, dürfen in einer Box gehalten werden, die min. 180 cm tief ist, wenn der Futtertrog innen liegt (siehe Abb. A) oder 160 cm, wenn der Futtertrog außen angebracht ist (siehe Abb. B).
Wenn die Trennwand bis zum Boden geschlossen ist, ist eine Mindestbreite von 100 cm notwendig. Das bedeutet, wenn Kälber bis zu ihrem 28. Lebenstag in einer Einzelbox gehalten werden und man sich den Aufwand ersparen möchte, diese nach 2 Wochen in eine größere Einzelbox umzuquartieren, sollte der Landwirt hier besonderes Augenmerk auf die Boxenabmessungen legen! Seitenbegrenzungen bei Boxen müssen so unterbrochen sein, dass die Kälber Sicht- und Berührungskontakt zu anderen Kälbern haben können (Foto 2).
Foto 2: Seitenbegrenzungen bei Boxen müssen so unterbrochen sein, dass die Kälber Sicht- und Berührungskontakt zu anderen Kälbern haben können.
Der Platzbedarf bei Gruppenhaltung ist nach dem Lebendgewicht in Kilogramm definiert.
Tabelle 2: Platzbedarf bei Gruppenhaltung
Lebendgewicht in kg |
Bodenfläche je Tier in m² |
bis 150 |
1,50 m² |
von 150 bis 220 |
1,70 m² |
über 220 |
1,80 m² |
Eine Bucht für Kälber im Alter von 2-8 Wochen muss min 4,50 m² vorweisen. Auch wenn nur zwei Kälber in dieser Altersgruppe darin gehalten werden. Die Buchtengröße für Kälber ab acht Wochen muss mindestens 6,00 m² groß sein.
Bei der Gruppenhaltung ist es wichtig, dass bei rationierter Fütterung (z.B. Nuckeleimer, Milchbar, …) jedes Kalb in der Gruppe gleichzeitig Futter aufnehmen kann, also pro Kalb ein Eimer/Nuckel. Dies gilt nicht bei Abruffütterung (Tränkeautomat) oder Einrichtungen mit vergleichbarerer Funktion.
Anforderungen an die Umwelt
Kälber und Jungrinder stellen unterschiedliche Anforderungen an ihre Umwelt, sodass sich eine einheitliche Aufstallung für alle Altersgruppen als schwierig herausstellt. Somit sind angepasste Lösungen für die speziellen Bedürfnisse der einzelnen Altersklassen vorzusehen.
In den ersten 2 bis 4 Wochen, werden die neugeborenen Kälber in Iglus oder Kälberhütten untergebracht, um eine individuelle Versorgung der Tiere zu gewährleisten. Während dieser Zeit werden die Kälber einzeln gehalten. Danach sollten die Kälber in Gruppen zusammengeführt werden, um den Sozialkontakt zu stärken.
Die Tiere sollten den Altersgruppen entsprechend in einem eingestreuten Bereich untergebracht sein. Das Klima in Kälberställen sollte trocken und die Temperatur sollte nur geringfügige Schwankungen aufweisen. Ebenso sollte auf die Schadgasbelastung im Kälberstall geachtet werden. Es empfiehlt sich die Luftgeschwindigkeit nicht über 0,2 m/Sek. ansteigen zu lassen.
Außenklimastall
Als Außenklimastall wird eine meist ungedämmte Halle in einfacher Bauweise bezeichnet. Die Temperaturen in Außenklimaställen liegen normalerweise nur geringfügig über den Außentemperaturen. Somit sind die Tiere zwar dem Außenklima ausgesetzt, allerdings nicht den direkten Wettereinflüssen. Um eine artgerechte Umgebung zu bieten, sind Frischluft und Sonnenlicht wichtig, dazu sollte auch der Liegeplatz trocken und die Laufflächen rutschfest ausgebildet sein.
Offenfrontställe im Kälber- und Jungviehbereich sollten Süd/Südost ausgerichtet sein. Für die Wintermonate bietet sich an, je nach Standort, die Offenfront mit einem Windschutznetz oder Curtain zu versehen, um einen zu starken Luftaustausch bzw. zu starke Windgeschwindigkeiten zu vermeiden.
Stallkonzepte in der Kälberhaltung
Gruppenhaltung von Kälbern kann in unterschiedlichen Stallsystemen erfolgen. Die häufigsten Systeme sind entweder
- Kälberdörfer (Abbildung 1) mit Großraumiglus und einem eingestreuten Auslauf
- oder Offenfrontstallsysteme (Zeichnung 2, 3 und 4) mit eingestreuten Bereichen und einer Zwischendecke für entsprechende Mikroklimabereiche
Bei Stallsystemen mit Großraumiglus sollte der Auslauf überdacht sein, um eine trockene Einstreu zu gewährleisten. Je nach Standort und Ausrichtung des Stalles können die Traufseiten mit Windschutznetzten oder Curtains versehen werden, um ein Eindringen von Regen und Schnee in die Einstreu zu vermeiden. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten die Kälberdörfer entsprechend anzuordnen. Hier bietet sich eine Kombination von Gruppenhaltung nach vier Wochen, als auch die Einzelhaltung der Kälber in den ersten vier Wochen an. Die Iglus müssen auf einer wasserundurchlässigen Betonplatte stehen. Die Seiten der Bodenplatten sollen mit entsprechenden Umrandungen eingefasst werden, um ein sicheres Ablaufen von Jauche und Reinigungswasser in die Gülle zu gewährleisten. Das Reinigen und Entmisten ist bei Großraumiglus arbeitswirtschaftlich aufwendiger als beim eingestreuten System in Hallen. Hier muss das Iglu mit großem Gerät angehängt werden, um es vom Standort zu entfernen, reinigen zu können und die Liegefläche im Iglu entsprechend zu entmisten.
Abbildung 1: Bauplan Kälberdorf
Foto zu Kälberdorf
Gebäudeteile
Boden
Grundsätzlich sind Stallböden und die angrenzenden Wände wasserdicht auszuführen. Bei der Wahl des Betons im Stallbodenbereich ist auf die entsprechende Expositionsklasse des Betons zu achten. Mit der Einbringung des Stallbodens sollten fachkundige Firmen beauftragt werden, um den korrekten Einbau zu gewährleisten. Hier muss auf eine fachgerechte Nachbehandlung des Betons geachtet werden, um die entsprechende Qualität des Bodens zu erreichen, da der Anspruch an diesen Boden bezüglich Wasserdichtheit und chemischer Belastung hoch ist.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten die Oberfläche des Betons zu bearbeiten, um den Tieren einen möglichst rutschsicheren Boden anzubieten. Bei vereinzelten Stallsystemen gibt es Fertigteilelemente, welche im Werk gegossen werden und mit einem Rautenmuster an die Baustelle geliefert werden. Bei Stallböden, welche vor Ort gegossen werden (Ortbeton), kann ebenfalls ein Rautenmuster mit einer entsprechenden Schablone in den Beton gedrückt werden. Hier ist darauf zu achten, dass keine Vertiefungen im Beton entstehen. Pfützenbildung durch Gülle/Jauche ist so vermeidbar.
Gebäudehülle
Hinsichtlich der Gestaltung der Gebäudehülle eines Außenklimastalles sind verschiedene Parameter von Wand und Dach zu beachten.
Die Seitenwandhöhe (Traufhöhe) eines Außenklimastalles sollte je nach Gebäudebreite bei einem Jungviehaufzuchtstall eine Mindesthöhe von 3,50 m, besser 4,00 m oder höher aufweisen. Bei außenliegenden Futtertischen sollte die Höhe der Traufe min. 4,50 m bis 5,00 m betragen, abhängig von der eingesetzten Fütterungstechnik.
Abbildung 2: Bauplan Längsfuttertisch
Foto zu Längsfuttertisch
In Kälberställen sind solch hohe Traufhöhen nicht zwingend notwendig. Hier kommt es auf den Stalltyp an und auf die eingesetzten Techniken (Entmistung, Fütterung, etc.). Bei hohen Traufen sollten im Bereich der Liegefläche, gerade für Tränkekälber Zwischendecken eingezogen werden, um ein Mikroklima für die Tiere zu ermöglichen. Dies ist unabhängig vom ausgeführten Stalltyp (Längsfuttertisch, Stichfuttertisch, oder Holsteiner Kälberstall). Bei Großraumiglus ist es nicht notwendig, da die vorhandenen Iglus dies bereits mit sich bringen.
Abbildung 3: Bauplan Stichfuttertisch
Foto zu Stichfuttertisch
Abbildung 4: Bauplan Holsteiner Kälberstall
Foto zu Holsteiner Kälberstall
Curtain / Windschutznetz
Die Wandgestaltung wird häufig mit Curtains oder Windschutznetzten ausgeführt. Der Curtain kann wind- und temperaturabhängig vollständig geöffnet oder geschlossen werden, wodurch eine Steuerung der Lüftung möglich ist. Durch das Aufrollen der Planen bei warmer Witterung wird der Stall optimal mit Frischluft versorgt. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass eine Zugluftsituation vermieden wird.
Dach
Als Dacheindeckung kommen Wellfaserzementplatten oder gedämmte Trapezbleche zur Anwendung. Wellfaserzementplatten benötigen eine aufwändigere Unterkonstruktion durch zusätzliche Koppelpfetten. Sie reagieren allerdings nicht so stark auf die Temperaturunterschiede innerhalb und außerhalb des Stalles, besonders im Winter. Dadurch wird ein Tropfwasseranfall im Stall geringgehalten.
Gedämmte Dachelemente (Sandwichpaneele) sind allerdings die ideale Eindeckung. In den Wintermonaten entfällt die Tropfwasserbildung und in den Sommermonaten kann sich der Stall nicht so stark aufheizen. Auch bei Neueindeckungen im Bestand und geringem Luftvolumen im Stall stellt diese Art der Eindeckung aus stallklimatischen Gründen eine Alternative dar.
Fazit
Viele Systeme sind praktikabel und bieten Vor- und Nachteile. Die Erweiterungen und Umnutzungen sollten in der Planung genauso mit einbezogen werden, wie Tiergesundheit und Arbeitswirtschaftlichkeit. Auch sollte das Stallsystem dem Standort entsprechend ausgewählt werden. Bei Fragen rund um die Realisierung eines Kälberstalles aus baulicher Sicht, aber auch bei Förderfragen, stehen wir Ihnen als Beratungsteam der Landwirtschaftskammer gerne zur Verfügung.
Sonja Müller, Dienststelle Bekond
Tel. 0671 / 793 - 335 ·